Der Rheinsteig rund um die Loreley: Sagenhaft

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Fast ein Jahr lang habe ich mich auf ein verlängertes Wander-Wochenende mit Kollegen am Wilden Kaiser in Österreich gefreut. Endlich wieder in die Berge und das erstmalig mit zwei Hüttenübernachtungen! Den Tag am Morgen hoch oben am Berg mit sensationellem Weitblick beginnen. So der Plan!

Im Vorfeld der Planung haben wir nicht nur das Wochenende mehrfach anpassen müssen; auch der interessierte Teilnehmerkreis variierte ein wenig. Dann stand alles. Hotel und Hütten waren gebucht, Zugticket gekauft, Hüttenschlafsäcke besorgt und unser WhatsApp Wander-Chat glühte aufgrund der typischen Mädchenprobleme Klamotten, Shampoo & Co. bei begrenztem Gepäck! Ende September wollten wir los. Das Wetter im September war bombig und die Vorfreude auf die „Kaisertour“ groß. Mit dem Zug sollte es bis nach Kufstein gehen, von Ebbs bis auf die Vorderkaiserfeldenhütte, dann bis zum Stripsenjochhaus und wieder runter. Das Wochenende vor der geplanten Abfahrt ist regelrecht sommerlich mit 27 Grad und ich wage nur mal sicherheitshalber einen Blick in den Wetterbericht von Kufstein für das kommende Wochenende: 9 Grad und Regen… Neeeeeeiiiiin!

Plan B

Ich treffe mich in der Vorwoche der geplanten Abfahrt mit den Wander-Kollegen zum Mittagessen und wir überlegen, was denn unser Plan B ist. Trotz widriger Witterungsbedingungen nach Kufstein fahren in der Hoffnung, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung gibt? Termin verschieben? Woanders hinfahren? Wenn woanders, dann wohin? Die Kollegen am Nachbartisch empfehlen den Rheinsteig. Der sei nicht so weit und durchaus anspruchsvoll. Also recherchieren wir weiter. Wir schauen nach den besten Wettervorhersagen sowie den schönsten Teilstrecken und entscheiden uns für den Mittelrhein – den sonnenfreundlichen Teil des Rheinsteigs. Kurz entschlossen stornieren wir, was zu stornieren geht und buchen ein Hotel in St. Goarshausen. Wenn schon nicht das Kaisergebirge, dann eben die Königsetappe des Rheinsteigs – darunter geht nichts. Die laufen wir rückwärts, also stromaufwärts: Kaub – St. Goarshausen – Kestert, damit wir die lange Tour direkt am 1. Tag absolvieren können. Klingt nach einem guten Plan B.

Ab in den Süden

Morgens um 08:15 Uhr starten wir in Köln und fahren ca. 2 Stunden bis zum Mittelrhein. Dort müssen wir erstmal mit der Autofähre auf die richtige Rheinseite. Wundersamerweise (aus Sicht eines Kölners) befindet sich die richtige Rheinseite des Rheinsteiges offenbar rechtsrheinisch. Nach kurzer, launiger Fahrt und Plausch mit dem Fährmann erreichen wir den Startort Kaub und parken dort das Auto. Dann geht es – ohne Frühstück meinerseits muss ich an der Stelle mal erwähnen – um 10:20 Uhr los. Wird ja wohl irgendwo einen Bäcker auf einer solch urbanen Wanderung geben, so denke ich. Wir sind ja schließlich nicht in den Alpen.

Immer den Markierungen des Rheinsteigs folgend, durchqueren wird den Ort, leider ohne Bäcker. Entlang der Weinberge geht es steil hoch. Ca. 30 Minuten später sind wir oben und können das erste Mal den Rhein aus einer neuen Perspektive sehen.

Der Weg führt immer mal wieder sehr nah an schöne Aussichtsstellen heran, dann aber auch wieder weg vom Rhein, durch ein Ortschaft (ohne Bäcker und außerhalb der Saison noch verschlafener als ohnehin), Wiesen und Wälder, runter und wieder hoch. Landschaftlich ist es sehr abwechslungsreich. Irgendwann kriege ich wirklich Hunger (mitgenommen habe ich nämlich auch nichts – schließlich sind wir ja nicht im Gebirge unterwegs und die Kollegen haben mich bis jetzt sehr gut versorgt) und wir googeln, wo es auf dem Weg wohl eine geöffnete Einkehrmöglichkeit gibt. Um kurz nach 14 Uhr erreichen wir schließlich die „Einkehr-Rast“. Die Freude – unsere Freude – ist groß, die des Wirtes lässt noch auf sich warten :-). Uns erwartet ein Ambiente mit eigenwilligem Charme, aber absolut fairen Preisen. Die ersten Schörlchen werden getrunken, Käseteller, Wurst und Kuchen verzehrt und ab jetzt gehen sich die restlichen Kilometer bis zur Loreley quasi von allein.

Loreley

Auf dem Weg zur Loreley gibt es einige Viewpoints, von denen man einen herrlichen Blick auf Loreley und den Rhein hat. Hier oben versteht man dann auch, was diesen steilen, aber eigentlich recht unspektakulär anmutenden Felsen so besonders macht: An dieser Stelle ist der Rhein am tiefsten und schlängelt sich in engen Kurven durch die Schieferlandschaft. Völlig nachvollziehbar also, dass der Sage nach eine blonde, singende, Haare kämmende Schönheit hoch oben auf dem Felsen die Schifffahrer von ihrem Kurs abgelenkt hat und somit ins Verderben gestürzt hat. Wer sonst :-)?

Wir können auf dem Weg zum Aussichtspunkt auf der Loreley nicht an der Sommerrodelbahn und einem weiteren geöffneten Lokal vorbei gehen und sind so nach weiteren Schörlchen und Bier dann gegen 17 Uhr quasi beim Höhepunkt der Wanderung auf dem ersten Stimmungs-Höhepunkt des Wochenendes! Nach einem ausgiebigen Foto-Shooting mit Haarbürste und unserer eigenen blonden Loreley geht es dann noch eine knappe Stunde bergab bis nach St. Goarshausen. 23 Kilometer und die erste Etappe sind geschafft. Zeit für Bier und Schörlchen.

Unser Hotel haben wir allerdings in St. Goar gebucht. Klingt ähnlich wie St. Goarshausen, ist auch nicht weit, allerdings trennt der Rhein die beiden Orte. Also mal wieder mit der Fähre rüber vom rechtsrheinischen Villariba ins linksrheinische Villabajo. Beide Orte sind, genauso wie die anderen Orte am Mittelrhein, typisch Deutsch – zumindest aus Sicht von Highspeed-Europreisenden Asiaten oder Amerikanern. Aus Sicht eines Großstadt-Kindes: aus der Zeit gefallen.

Übernachten kann man übrigens sehr günstig in St. Goar und auch das Essen ist gutbürgerlich, günstig und lecker. Bier, Wein und Schnaps schmeckt ebenfalls. Also alles bestens.

Die zweite Etappe von St. Goarshausen nach Kestert

Am zweiten Tag gehen wir gegen 10 Uhr nach einem ausgiebigem Frühstück weiter. Dafür müssen wir selbstverständlich erstmal wieder mit der Fähre auf die rechte Rheinseite. Zurück also nach St. Goarshausen und dann ganz schön steil bergauf. Die Aussicht ist auf diesem Teilstück mindestens genauso gut wie am Tag zuvor und ich habe noch gar nicht die ganzen Burgen erwähnt, über die man so auf dem Weg stolpert. Burg Katz, Burg Rheinfels, Burg Maus. Der romantische Mittelrhein hat seinen Namen schließlich nicht von ungefähr. Nachdem ich zu Anfang ehrlicherweise etwas enttäuscht von dem ungeplanten Reiseziel war, weil ich die Alpen nun mal einfach liebe und mein anfängliches „schon schön hier“ mehr mit schönreden statt schönfinden zu tun hatte, merke ich an Tag 2, dass ich es wirklich schön finde. Die Orte sehen von oben aus wie eine Modelleisenbahnlandschaft: Fluß, Schiffe, Eisenbahn, Tunnel, Ortschaft sowie klitzekleine Autos und (ein paar wenige) Menschen. Schon schön. Echt jetzt!

Auf Etappe zwei begegnen wir sogar ein paar glücklichen Kühen, die alpines Flair verbreiten, gehen Teile des Jakobsweges, können uns im Wald vor den vereinzelten Regentropfen schützen, streicheln Moos, umarmen Bäume und erreichen nach 15 Kilometern gegen 14 Uhr bestens gelaunt den Bahnhof von Kestert. Mit dem Zug fahren wir zurück nach Kaub und genießen die schöne Strecke – diesmal aus einer ganz anderen Perspektive – nämlich von unten.

In Kaub gibt es natürlich zum Abschluss ein Schörlchen und was leckeres zum Essen, bevor es dann mit dem Auto – nach kurzer Fährfahrt auf die linke Rheinseite – zurück nach Köln geht.

Der Vorteil am Rheinsteig ist, dass man fast überall mit der Bahn hinkommt und daher eigentlich getrost das Auto stehen lassen kann. Das werden mit Sicherheit nicht die einzigen Etappen des Rheinsteigs bleiben, die ich erwandert habe. Beim nächsten Mal packe ich mir dann auch Essen ein, für Alkohol ist hingegen vor Ort gesorgt :-). Danke, liebe Kollegen, es war mir eine Freude!

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